Ich war mit meiner Freundin über das Himmenfahrts-Wochenende zu einem familiären Anlass in Bonn. Eher zufällig während einer Stadtführung habe ich dort Werbung des Arithmeums entdeckt, einem Museum für mechanische Rechenmaschinen. Da wir vor unserer Rückreise am Sonntag noch einige Stunden Zeit hatten, haben wir das dann noch besucht. Es hat mir richtig gut gefallen und man durfte dort auch fotografieren und einige Rechenmaschinen ausprobieren. Daher gibt es jetzt zunächst davon Bilder, bevor es bald auch Fotos aus Bonn und von einer Rhein-Fahrt gibt.
Das Arithmeum gehört zum Institut für Diskrete Mathematik dessen Gründer bereits während seines Mathe-Studiums in den 70ern angefangen hat, mechanische Rechenmaschinen zu sammeln, die gerade anfingen auszusterben und zunehmend durch elektronische Taschenrechner ersetzt wurden. Mittlerweile ist die Sammlung in öffentlichen Besitz übergegangen und umfasst nicht nur mehr als 10000 Rechenmaschinen, sondern auch eher mathematisch geprägte Kunst und historische Mathe-Bücher. So konnte ich dort einen wahrscheinlich ziemlich alten Druck der Principia Mathematica[ref]Der Link führt zu einer digitalisierten Version der Universitätsbibliothek Cambridge, die handschriftliche Notizen des Autors enthält.[/ref] von Isaac Newton bewundern, ebenso wie Werke von Leonhard Euler oder Adam Riese. Als großer Freund von Physik, Mathematik und Büchern hat mich das schon ganz schön berührt.
Aber hier soll es um die Rechenmaschinen gehen. Das erste Exemplar, das alle vier Grundrechenarten beherrschte, wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz konstruiert. Von ihm stammen mit Sprossenrad und Staffelwalze auch gleich beide grundlegenden Mechaniken für Rechenmaschinen, auf die alle weiteren Entwicklungen in den nächsten fast 300 Jahren aufbauten. Im Arithmeum sind Maschinen mit den konkurrierenden Verfahren nebeneinander angeordnet, sodass man gut die technischen Fortschritte nachvollziehen kann. Den Anfang des Hauptteils der Ausstellung bilden dabei Apparate, wie der des Pfarrers Hahn, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts konstruiert wurden und die gegenüber der Maschine von Leibniz für einen gewinnbringenden Betrieb bereits ausreichend präzise gefertigt waren. Einen alltäglichen, praktischen Nutzen gab es aber für die blank polierten Rechner noch nicht.
Erst um 1850 begann die Serienproduktion maschineller Rechenhilfen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es, vor allem auch durch die Konkurrenz der beiden verschiedenen Verfahren, zu einer raschen Weiterentwicklung: stabilere Gehäuse für eine robustere Mechanik wie etwa bei der Peerless Rapid, bequeme Tastatureingabe, Miniaturisierung oder ein Motorantrieb für die Mechanik um das lästige Kurbeln zu beschleunigen. Eine Druckfunktion zur Protokollierung von Eingaben und Ergebnissen war dabei lange reinen Addiermaschinen vorbehalten, die oft im kaufmännischen Bereich im Einsatz waren.
Neben amerikanischen Entwicklungen wurden viele Geräte in Deutschland konstruiert und produziert, vorwiegend auch in ostdeutschen Städten wie Zella-Mehlis, wo eine Firma Mercedes zum Beispiel die oben abgebildete Euklid 16 hergestellt hat. Auch die Wanderer-Werke, deren leerstehende Produktionsstätten in Chemnitz bereits Gegenstand in einem früheren Artikel war, hat lange Zeit unter der Marke Continental Rechenmaschinen verkauft.
Später gab es auch Maschinen für wissenschaftliche Anwendungen mit gekoppelten Rechenwerken und weiteren Spezialfunktionen. Letztendlich lies sich der Siegeszug von Mikroprozessoren aber nicht aufhalten. Viel früher hatte auch schon die Entwicklung der ersten Computer, etwa durch Charles Babbage um 1833, begonnen. Im Arithmeum gibt es auch Nachbauten von Teilen seiner erst 1991 vom Science Museum London realisierten Difference Engine, die über Polynom-Interpolation Funktionswerte berechnen kann, und der bisher nur als Konstruktionszeichnung existierenden Analytical Engine, die mit Befehlen für Schleifen und bedingten Sprüngen Turing-vollständig wäre und damit alles könnte, was ein moderner Prozessor auch beherrscht (nur langsamer).
Mechanische Rechenmaschinen waren bisher ein Gebiet der Technik, das mir weitgehend unbekannt war. Ich hatte immer den Eindruck, zum Beispiel durch meine Besuche im Deutschen Museum, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts recht plötzlich von Konrad Zuse und anderen Erfindern Computer entwickelt wurden, die dann langsam immer kleiner wurden. Im Arithmeum ist mir erst richtig klar geworden, dass das eine sehr kontinuierliche Entwicklung war, die teilweise auch parallel in verschiedenen Zweigen ablief, einerseits über mechanische Rechenmaschinen bis in die 1970er Jahre hin zum Taschenrechner und andererseits über komplexere Mechaniken und den Wunsch nach allgemeineren Rechenmöglichkeiten über Großraum-Computer zum Smartphone. Dabei erstaunt mich vor allem auch, wie neu viele dieser Entwicklungen noch sind!
2 Kommentare zu “156849+357682=514531 (Arithmeum Bonn)”