In meinem letzten Beitrag habe ich ja bereits mein Langzeit-Fotoprojekt Arbeitsplätze vorgestellt, in dem es um alte Industriearchitektur, Nachhaltigkeit und Wandel in der Wirtschaft geht. Ich habe mich in den letzten Jahren wegen meiner Freundin häufiger in Chemnitz aufgehalten und dort lässt sich dieser Themenkomplex kaum vermeiden. Sobald man das Stadtzentrum verlässt, stößt man auf Überbleibsel der früheren chemnitzer Industrie. Anfang diesen Jahres habe ich mit meiner Freundin daher eine Fototour durch die Stadt gemacht.
Prägend für Chemnitz und die ganze Umgebung war die Textilindustrie, ebenso wie darauf spezialisierte Maschinenbau-Unternehmen. Fast alle haben die Wende nicht überlebt, sodass es jetzt riesige brachliegende Areale und Gebäudekomplexe in den Außenbereichen der Stadt gibt. Viele Gebäude stammen allerdings noch aus der Zeit um 1900. Manche Unternehmen sind dann zunächst in der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre zugrunde gegangen. Die nachfolgenden Besitzer wurden dann meist in der DDR-Zeit enteignet, sofern sie nicht bereits wie etwa der Strumpffabrikant Siegfried Peretz von den Nazis in den Tod getrieben worden waren.
Heutzutage stehen viele der Gebäude unter Denkmalschutz, aber nur wenige haben bereits wieder einen neuen Nutzen gefunden. Auf dem riesigen, heute als Wirkbau bezeichneten Areal mit dem hübschen Uhrenturm haben sich wieder etliche Betriebe angesiedelt, eine ehemalige Gießerei eines Maschinenbau-Unternehmens wird als Sächsisches Industriemuseum genutzt und in der ehemaligen Spinnereimaschinenfabrik kann man heute bouldern. Andere Firmengelände wie die ebenfalls enorm großen Wanderer-Werke stehen leer, oder es wird wie bei dem im Hintergrund abgebildeten Objekt über ein Abriss trotz Denkmalschutz diskutiert. Insgesamt verzeichnet der hier verlinkte Bericht 2903 brach liegende Grundstücke und leer stehende Gebäude in Chemnitz. Nachhaltigkeit bei der Stadtentwicklung wird dort betont, worunter die Verminderung von Neubaugebieten auf umliegenden Ackerflächen zugunsten der Wiederbebauung der innerstädtischen Brachflächen verstanden wird. Etwas irritiert war ich von der Verwendung des Wortes „Revitalisierung“, offenbar ein Euphemismus für das Wort „Abbruch“.
Wie schon in Hannover beschrieben, gibt es auch in Chemnitz den Hang dazu, alte Industriebauten als hochpreisige Wohnungen zu verkaufen, wie etwa beim sogenannten Poelzig-Areal, auch wenn die Homepage mit den letzten Events im Jahr 2008 nicht so ganz aktuell wirkt. Dennoch gibt es dort Hoffnungen, dass das Gelände saniert und weiter genutzt wird. In dem benachbarten Gebäude (in der Galerie unten das dritte) gibt es bereits einen Motorad-Laden und eine Galerie.
Insgesamt ist (Industrie-)Geschichte in Chemnitz jedenfalls ein sehr interessantes Thema, das viele Menschen dort bewegt und sie zum Fotografieren in die heruntergekommenen Gebäude eindringen lässt. Vielleicht ist das Ausdruck einer „früher-war-alles-besser“-Ostalgie in einer Region, die sehr unter der Wende gelitten haben muss…
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