Nachdem es in meinem letzten Reisebericht im vergangenen Jahr um religiöse Stätten in Ägypten ging, mache ich nun thematisch passend weiter mit einem Bericht aus Japan. Während ich es mit meiner Freundin in Kairo geschafft hatte, an einem Tag Gebäude von vier unterschiedlichen Religionsgemeinschaften[ref]koptische und griechisch-orthodoxe Kirchen, eine Synagoge und eine Moschee[/ref] zu besichtigen, gibt es in Kyoto eine noch viel unüberschaubarere Menge an Tempeln und Schreinen.
Die Stadt war etwa 1000 Jahre lang der Kaisersitz Japans und ist nach wie vor das kulturelle und spirituelle Zentrum des Landes. Mein Reiseführer gibt eine Zahl von etwa 2000 Tempeln und Schreinen an, wovon ich mit meinem Kollegen in anderthalb Tagen deutlich mehr als fünf gesehen habe[ref]Ich kann mich an fünf Anlagen erinnern, für die ich Eintritt (in der Regel 2-4€) bezahlt habe. Etliche weitere waren frei zugänglich. Warum eine genaue Angabe sowieso schwierig ist, ergibt sich hoffentlich aus dem Haupttext.[/ref]. Die Bezeichnung „Tempel“ wird dabei meiner Vermutung nach in der Regel für buddhistische Anlagen verwendet, während Schreine Orte der Gottesverehrung des Shintoismus sind. Eine genaue Trennung der beiden Religionen ist in Japan aber kaum möglich und viele Japaner fühlen sich beiden zugehörig. So ist der Buddhismus wohl eher für jenseitige Dinge wie das Gedenken an Verstorbene verantwortlich, während der Shintoismus für das diesseitige Glück, Hochzeiten und ähnliches zuständig ist.
Der Shintoismus geht auf Ur-Religionen der Inselbewohner zurück. Wesentliches Element ist die Verehrung von Kami, verschiedene Arten von Naturgeistern, Gottheiten und Seelen, die in den Schreinen wohnen. Im einfachsten Fall ist ein solcher Ort mit besonderer Naturkraft einfach durch ein Tor markiert, wie etwa auf dem Fuji-Gipfel, es gibt aber auch Schrein-Gebäude, wie das auf dem Bild oben. Bei dem abgebildeten handelt es sich um einen Liebesschrein, in dem man gegen eine kleine Spende seine persönlichen Liebes-Hoffnungen niederschreiben kann, für die dann ein Priester betet. Außerdem gibt es dort zwei im Boden eingelassene Felsen in einigem Abstand. Der Legende nach verliebt man sich erfolgreich, wenn man es schafft, die Distanz zwischen den Felsen mit verschlossenen Augen zu überwinden. Man darf es auch mit Hilfe einer anderen Person versuchen, dann bedeutet das aber auch, dass man das Liebesglück ebenfalls nur durch einen Vermittler erreichen kann.
Der Schrein befindet sich auf dem Gelände des (buddhistischen) Kiyomizu-dera Tempels, einer der Hauptattraktionen Kyotos und zusammen mit etlichen weiteren Anlagen UNESCO-Weltkulturerbe. Er ist vor allem für seine große Holzterrasse bekannt, die 13 m hoch und ohne Metall errichtet ist. Einem Sprichwort nach bedeutet „von der Terrasse des Kiyomizu-dera springen“ soviel wie „einen Entschluss fassen“. Das ist mittlerweile aber verboten und auch nicht der Gesundheit zuträglich [ref]Laut Wikipedia ist eine Zahl von 85% Überlebenden bei 234 Sprüngen überliefert.[/ref]. Neben dem Liebesschrein gibt es auf dem Tempelgelände noch einige weitere Möglichkeiten, für sein persönliches Glück / Erfolg / Wohlhaben zu sorgen. Die interessanteste davon war ein völlig dunkler Gang im Keller eines Tempelgebäudes, durch den man gegen eine kleine Spende gehen kann, immer an den Rucksack der vorausgehenden Person anstoßend. Am Ende kommt man dann zu einem erleuchteten Stein mit einem japanischen Schriftzeichen und darf sich dort etwas wünschen, das dann in Erfüllung geht[ref]Ich warte noch…[/ref]. Ansonsten gab es auch eine Statue eines der sieben Glücksgötter und einen Brunnen mit drei verschiedenen Ausläufen, deren Wasser wahlweise Gesundheit, ein langes Leben und Erfolg bringen. Als wir dort waren, wollte allerdings keiner den Erfolg haben.
Die anderen buddhistischen Tempel spiegeln allerdings nicht so stark die enge Verbindung von Shintoismus und Buddhismus in der Kultur wider, die schon im 6. Jahrhundert durch den Import des Buddhismus aus China entstanden ist. Seitdem sind unzählige Schulen entstanden, die alle ihre Haupttempel in Kyoto haben. Die Anlagen liegen alle am Stadtrand von Kyoto an den Berghängen, die die Stadt hufeisenförmig umschließen. Sie bestehen oft aus einem sehr gepflegten Garten, in dem sich verschieden große Tempelhallen befinden. Zentrale Elemente eines solchen Gartens sind ein Teich mit Koi-Karpfen und möglichst einem Wasserfall, sowie ein möglichst gleichmäßiger Moosbewuchs des Bodens. Gelegentlich gibt es auch einen Bambushain. Blühende Pflanzen haben wir nur im Tenryu-ji Tempel gesehen, der eine extrem hübsche Anlage mit beschilderten Pflanzen ähnlich einem botanischen Garten hat.
In den öffentlich zugänglichen Teilen der Tempelhallen gab es oft für mich völlig undeutbare religiöse Gegenstände. Viele Gebäude bestehen der traditionellen japanischen Architektur entsprechend aber auch nur aus großen leeren Räumen mit Reisstrohmatten-Boden und flexibel verschiebbaren Trennwänden. Insgesamt entsteht so eine sehr ruhige, meditative Atmosphäre, besonders in weniger überlaufenen Tempeln wie dem Shoren-In– und dem Kodaiji-Tempel. Letzter hat außerdem einen hübschen Zen-Garten aus penibel geharktem Kies.
Etwas aus dem sonst eher schlichten und ruhigen Ambiente sticht ein weiteres Touristen-Highlight in Kyoto heraus: der Tempel des Goldenen Pavillions (Kinkaku-ji), über den der Name eigentlich schon alles sagt. Dort war es jedenfalls nicht sehr besinnlich.