Bevor es hier mit Urlaubserlebnissen weiter geht, gibt es noch einen (vorerst) abschließenden Beitrag zum Projekt Arbeitsplätze. Nun geht es um Fotos aus einer ehemaligen sächsischen Textilfabrik, die mittlerweile als Museum besichtigt werden kann. Nach den Artikeln über alte Industriegebäude und deren Geschichte in Chemnitz und Hannover geht es also nun um die Innenansicht einer alten Fabrik.
Die Fabrik wurde recht direkt nach der Wende stillgelegt und wird nun vom sächsischen Industriemuseum erhalten, dessen Gebäude in Chemnitz ich ja schon fotografiert hatte. Über deren Homepage bin ich bei meiner Beschäftigung mit dem Projekt dann auch auf den Standort in Crimmitschau aufmerksam geworden.
Crimmitschau liegt an der Grenze zwischen Sachsen und Thüringen. Um von Jena aus dorthin zu kommen, müsste man ziemlich lange Zug fahren und sehr ungünstig umsteigen. So beschloss ich mit meiner Freundin, den Ausflug mit einer Radtour zu verbinden und vom letzten Bahnhof in Thüringen an der Strecke die restlichen 10 km nach Crimmitschau mit dem Fahrrad zu fahren. Das ging auch sehr gut und wir hatten noch genug Zeit, die kleine Innenstadt des Ortes anzugucken, bevor die öffentliche Führung um 14h begann.
Man kann die Anlage nur im Rahmen einer solchen Führung besichtigen. Die hat sich aber wirklich sehr gelohnt, vor allem auch wegen der persönlichen Betroffenheit und Erfahrung unser Führerin. Die Bilder in diesem Artikel geben weitgehend die Reihenfolge der Führung und damit auch die komplette Produktionskette von der Wolle bis zum Stoff wieder, die in der Fabrik in drei größeren Gebäuden untergebracht war.
In Crimmitschau entstanden schon um 1750 die ersten Textilproduktionen. Die Stadt wurde dann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Industrialisierung ergriffen, sodass sie bald als „Stadt der 100 Schornsteine“ bekannt war. Die jetzt als Museum erhaltene Fabrik wurde 1859 gegründet und wurde um 1900 von den Söhnen als „Tuchfabrik Gebr. Pfau“ übernommen. 1972 wurde die Fabrik dann enteignet und in den VEB Volltuchwerke Crimmitschau eingegliedert.
Mit der Wende ging es dann rapide bergab. Auch unsere Führerin war früher selbst in der Textilindustrie beschäftigt und zeigte eine ausgeprägte Ostalgie („In der DDR, da gab’s doch keine Jugendlichen auf der Straße, da hatte jeder Arbeit.“[ref]Nur vielleicht nicht die, die er haben wollte.[/ref]). Von der ehemaligen Größe und dem Reichtum der Stadt ist jetzt nur noch wenig übrig, auch wenn der Stadtkern immer noch ganz hübsch ist. Jetzt gibt es nur noch eine der ehemals unzähligen Textilfabriken.
Während der Führung konnten wir dann den kompletten Produktionsprozess von der Wolle bis zum fertigen Stoff nachvollziehen. Allein das war schon sehr interessant und ist deutlich aufwändiger, als ich gedacht hätte. Besonders eindrucksvoll wird das ganze aber dadurch, dass es von allen Maschinen noch betriebsfähige Exemplare gibt die dem Besucher vorgeführt werden. So hatte man einen direkten Eindruck davon, wie laut (unsere Führerin war merklich schwerhörig) und anstrengend die Arbeit in einer Textilfabrik ist.
Deshalb ist die Textilproduktion mittlerweile ja in den fernen Osten ausgelagert, wo man sich nach wie vor nicht so um den Arbeitsschutz kümmern muss[ref]Textilmaschinenbau wie früher in Chemnitz gibt es übrigens immer noch in Deutschland.[/ref]. Man bekam aber auch ganz gut mit, warum die Produktion der DDR-Fabriken nach der Wende auf dem freien Markt nicht konkurrenzfähig war. Die Maschinen machten jedenfalls nicht den Eindruck, auf einem damals aktuellen Stand der Technik gewesen zu sein. Das meiste war aus den 1960ern oder älter, es wurden aber auch noch ursprünglich per Dampfmaschine betriebene Anlagen aus dem vorletzten Jahrhundert genutzt.
Einerseits ist das natürlich eine sehr nachhaltige Nutzung, die aber in einer kapitalistischen Gesellschaft offensichtlich hart bestraft wird. Andererseits ist technologischer Fortschritt natürlich auch toll. Nicht zuletzt ist die Geschichte der Textilindustrie auch die Geschichte der Industrialisierung und Automatisierung insgesamt. Die Webstühle in der Fabrik wurden mit hölzernen Lochkarten gesteuert. Und auch wenn heutige Textilmaschinen etwas beeindruckender aussehen, hat sich am Prinzip nicht viel geändert.
Hier noch die restlichen Bilder zur Textilproduktion (anklicken für eine Vollbildansicht!):
Hallo,
ich bin durch Zufall auf Ihre HP gestoßen, als ich auf der Suche nach einem Foto des Schornsteines auf dem Gelände der Tuchfabrik war.
Ich komme selbst aus Crimmitschau und mir gefällt Ihre Seite gut.
Gruß
Vielen Dank für Ihren Kommentar!